"Alle hatten Spaß - bis auf den Gegner"

 
Ebenfalls in Feierlaune: Timo Werner (links) und Leon Goretzka.
 (Foto: dpa)
    Von Lisa Sonnabend, Mainz
    İlkay Gündoğan grinste, als er die entscheidenden Szenen des Spiels noch einmal nacherzählte. Die Augen leuchteten. Er war zufrieden, so zufrieden wie seit Langem nicht. 8:0 (5:0) hatte die deutsche Fußballnationalmannschaft soeben im EM-Qualifikationsspiel gegen Estland gesiegt; doch Gündoğan freute sich nicht nur über diesen hohen Erfolg, sondern darüber, dass so vieles anders war als im Jahr zuvor.
    Als die vergangene Saison in die Sommerpause ging, hatten die DFB-Spieler die Blicke gesenkt gehalten, manch einer hatte Tränen in den Augen, kaum einer wollte ein Wort sprechen. In Kasan hatten sie gegen Südkorea verloren, erstmals war das Team in der Vorrunde einer WM gescheitert. Als nun am Dienstagabend in Mainz das letzte Spiel der Saison lief, lachten die DFB-Fußballer, sie hüpften und umarmten sich. Einmal, noch einmal, noch einmal und dann noch fünf Mal. "Es tut so gut", erklärte Gündoğan, "weil wir eine sehr, sehr schwere Zeit hatten im letzten Jahr."
    In den vergangenen zwölf Monaten hat sich vieles verändert in der Nationalelf. Bundestrainer Joachim Löw hat den nötigen Umbruch vollzogen - und wie es aussieht, geht dieser Plan, zu dem Löw etwas geschubst werden musste, auf. Wie schon beim 2:0 gegen Weißrussland am Samstag konnte der Bundestrainer beim Spiel in Mainz nicht dabei sein, weil er zu Hause in Freiburg eine Sportverletzung auskurierte.

    Die Mitspieler jubeln lange - obwohl Werners Tor bloß das 7:0 war

    Stattdessen stand sein Stellvertreter Marcus Sorg beim höchsten Sieg der DFB-Elf seit dem 13:0 gegen San Marino vor 13 Jahren an der Seitenlinie und danach geriet sogar der eigentlich sehr nüchterne 53-Jährige ins Schwärmen. "Die Mannschaft sprüht vor Energie", sagte er auf der Pressekonferenz und beugte sich ein wenig vor: "Sie ist gewillt, mit Leidenschaft zu spielen."
    Tatsächlich sind das Team von der WM 2018 und das vom Mainz-Kick 2019kaum noch zu vergleichen. Allein wenn man die Aufstellungsbögen nebeneinander legt: In Manuel Neuer und Marco Reus standen am Dienstag nur zwei Spieler, die älter als 30 Jahre alt sind, auf dem Platz. Stattdessen drängen nun die Jungen, die noch über wenig Länderspielerfahrung verfügen, nach vorne. Und bei denen sehe man, sagte Julian Draxler nach der Partie, "dass sie hungrig sind".
    Tatsächlich ließ nach der frühen Führung durch Marco Reus die DFB-Elf nicht nach. Zur Pause stand es 5:0 - doch auch das war ihr nicht genug. Es folgten in der zweiten Halbzeit drei weitere Treffer. "Wir wollten weiter guten Fußballspielen", sagte Kapitän Manuel Neuer, "wir waren nicht müde. Wir haben den Gegner niedergespielt."